Gedanken des Architekten zum Neubau
ev.-luth. Gemeindesaal Peißenberg mit seinen Außenanlagen
Der Neubau eines Gemeindesaals zählt für einen Architekten nicht gerade zu den alltäglichen Arbeiten. So war die Freude groß als der ev. Luth. Kirchenvorstand Peißenbergs unserem Team hierfür das Vertrauen ausgesprochen und mit den Planungsleistungen nach der Genehmigung beauftragt hat.
Aufbauend auf dem Entwurf von Susanne Haarth beschäftigen wir uns nun seit gut eineinhalb Jahren mit dem Peißenberger Gemeindesaal und der angrenzenden, denkmalgeschützten Kirche des Architekten Josef Kranebitter aus dem Jahr 1928. Die Planung eines Gebäudes endet erst mit den letzten Arbeiten am Gebäude selbst. Daher haben wir in enger Zusammenarbeit mit der Architektin Susanne Haarth und dem Kirchenvorstand Änderungen an der Gebäudegröße, dem Grundriß und vor allem an den Fassaden vorgenommen. Eine Tektur, das heißt ein Änderungsplan zum bestehenden Genehmigungsplan, wurde nachgereicht und vom Landratsamt genehmigt.
Es war uns wichtig, großzügige Öffnungen zu schaffen, die inhaltlich der Konstruktion des Gebäudes entsprechen. Der Mix aus Holzskelett- und Holzrahmenbau steht im Gegensatz zu den Lochfassaden des angrenzenden alten Massivbaus. Und damit ist auch das Grundmotiv der hier anstehenden Planungen angesprochen: das Verhältnis zwischen Alt und Neu. Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Vorgehensweisenfallen für die Verbindung alter und neue Gebäudeteile, die ich durch die Begriffe „Gleichheit“ und „Gegensatz“ charakterisieren möchte. „Gleichheit“ steht hier für „ genauso weiterbauen wie bisher“. Selbstverständlich wäre es möglich, einen alten bestehenden Bau im gleichen Stil weiterzuentwickeln. Hierin aber liegt die große Gefahr der Verunklarung von Identität und Geschichte des Baus. Wer weiß denn in einigen Jahren, wenn auch der Neubau ein wenig Patina angenommen hat, noch zwischen alt und neu zu unterscheiden? War der Umbau damals noch im 20.sten oder schon im 21.sten Jahrhundert? Hat es überhaupt jemals einen Anbau gegeben, oder war dieser nicht schon immer Teil der Gesamtanlage? – Aus unserer Sicht ist ein Gebäude dann gut, wenn es diesen Spagat schafft: nicht modisch, ja in gewisser Weise zeitlos zu sein, aber doch so viel Identität zu besitzen, ein Stück Geschichte, seine Geschichte, zu erzählen.
Der zweite Begriff „Gegensatz“ hat also das Motto für unseren Entwurf des neuen Gemeindesaals bestimmt. Die Gegensätze von Neubau zu Altbau könnten in jeder Sicht nicht prägnanter sein und gerade darin liegt die Stärke auch im wörtlichen Sinne. Der Kontrast der gegensätzlichen Bauteile verstärkt die Wirkung ihrer je eigenen Gestalt. Die jeweilige Entstehungszeit wird durch die direkte Gegenüberstellung weit deutlicher als das bei räumlich isoliertem oder in einem Ensemble integriertem Gebäude der Fall ist. Trotz aller zeitgenössischer Identitätssuche haben wir versucht, einen bescheidenen und einfachen Bau ohne Schnickschnack zu entwerfen. Der alte Bau bleibt unberührt und wird durch das behutsame Andocken respektiert. Der neue Gemeindesaal soll sich aber auch nicht unterordnen, sondern auf gleicher Augenhöhe bestehen können. Er darf auch ruhig auf sich aufmerksam machen, steht er doch als Ort der Gemeinde für ihre Geselligkeit, ihre besondere Gemeinsamkeit. Dieser Gemeindesaal oder Gemeinschaftssaal will ja gerade die Menschen in Peißenberg einladen und das geschieht nun einmal durch das Aufeinanderzugehen. So hat sich der Kirchenvorstand und die Gemeinde Peißenberg mit uns Planern in einem eingehenden Prozess für eine starke Farbigkeit entschieden. Der Neubau erhält eine Fassade aus witterungsbeständigen rotbraunen Fassadenplatten die farblich sehr gut mit dem gedeckten Gelb der Kirchen zusammenpasst.
Natürlich haben wir uns auch mit dem Thema „Licht“ beschäftigt. Dieses Thema steht in direktem Zusammenhang mit den bereits erwähnten großzügigen Öffnungen, aber auch mit dem Oberlicht des Eingangsbereichs. Das Entré, das Verbindungsglied zwischen Kirche und Foyer bzw. Gemeindesaal, erhält also eine Öffnung nach oben, um nicht nur den Eintretenden den Weg zu weisen und Licht zu spenden, sondern ihnen insbesondere Gelegenheit zu geben, einen Blick auf den alten Kirchturm zu werfen. Der Eingangsbereich ist durch ein Glaselement vom Foyer getrennt, lässt aber der Sicht in den Garten mit der großen Blutbuche freien Lauf.
Im Übrigen waren uns die vielen Blickbeziehungen und die fließenden Übergängen von Innen nach Außen sehr wichtig. So ist der alte Kirchturm im Inneren der neuen Räume präsent. Auch ist es in unseren Breitengraden mit vielen kalten und kühlen Tagen im Jahr besonders schön, ein wenig Garten in den Innenraum zu holen.
Die funktionale Flexibilität sollte auch nicht zu kurz kommen. So lässt sich durch große Türelemente der Gemeindesaal durch das Foyer erweitern, ja sogar mit dem Eingangsbereich verbinden. Das ist vor allem bei größeren Veranstaltungen wichtig. Der Gemeindesaal ist so geplant worden, dass er zur Straße hin einen Bereich ohne Fenster erhält, der es ermöglicht, Dias oder Filme an die Stirnwand zu werfen und vor allem später einmal eine Bühne zu integrieren.
Zwei Wc´s, eines davon barrierefrei und rollstuhltauglich, wurden im Eingangsbereich untergebracht. Anschlüsse für eine später einzurichtende Teeküche sind im Foyer schon vorgesehen worden. Zur Haustechnik sei noch angemerkt, dass ein moderner sparsamer Brennwertheizkessel im Keller des Altbaus aufgestellt wurde. Es wurden günstige konventionelle Heizkörper eingebaut, die schnell regelbar sind. Das ist bei einer unterschiedlichen Nutzung von großem Vorteil. Gemeindesaal und Foyer erhalten je zwei Dreiphasenstromschienen. Diese erlauben an jeder Stelle das Anstecken beliebig vieler Lichtquellen, aber auch anderer elektrischer Geräte, wie z.B. eines Beamers. Dieses Konzept soll ebenfalls einen Beitrag zu größtmöglicher Flexibilität liefern.
Der Eingangsbereich erhält einen neuen, sich zur Straße hin öffnenden Belag, der von Gemeindemitgliedern selber verlegt werden soll. Gleiches geschieht im Vorbereich des Foyers, dem alten/neuen Garten der Gemeinde. Überhaupt sei an dieser Stelle unsere Anerkennung, ja Bewunderung für das Engagement der vielen Gemeindemitglieder ausgesprochen, die sich baulich noch in Maler- und Fliesenarbeit einbringen werden.
Eine Sitzbank im Eingangsbereich lädt neben der alten Glocke, die durch einen neuen Anstrich zum geschichtsträchtigen Gartenobjekt umfunktioniert wurde, zum Verweilen ein. Erweiterte Pflanzflächen mit Gehölzen, Stauden und Gräsern sollen das Gesamtbild des neuen Vorplatzes durch ihr jahreszeitllich unterschiedliches und typisches Form- und Farbenspiel bereichern. Parkplätze werden wieder hergerichtet, ein neuer behindertengerechter kommt hinzu.
Und so gäbe es noch viel zum neuen Gebäude und den Außenanlagen zu erzählen, besonders auch über das gute Zusammenarbeiten mit der Kirchengemeinde, allen Projektplanern und natürlich den ausführenden Firmen. Vielleicht gibt es ja bei der Einweihung die Gelegenheit, das Gespräch zu vertiefen. Wir wünschen mit unserem Team der Gemeinde in ihrem neuen Saal fröhliche Feste und besinnliche Momente, für viele Jahre eine glückliche Zeit an diesem hoffentlich auch in Ihren Augen gelungenen neuen Gemeinschaftsort.
Thomas Grubert, Architekt mit seinem Team